Schul­klas­sen, Schul­no­ten und ein Exkurs ins Produktmanagement

Schulklassen entsprechen industriellen Produktionslosen und Schulnoten fungieren als Qualitätskriterien. Warum das System heute (und wahrscheinlich auch zur Zeit seiner Einführung) nicht wirklich zielführend ist.

Teil 3 – Schul­klas­sen ent­spre­chen indus­tri­el­len Pro­duk­ti­ons­lo­sen und Schul­no­ten fun­gie­ren als Qua­li­täts­kri­te­ri­en. In die­sem Blog­post set­ze ich mich damit aus­ein­an­der, war­um das Sys­tem heu­te (und wahr­schein­lich auch zur Zeit sei­ner Ein­füh­rung) nicht wirk­lich ziel­füh­rend ist.

Schul­klas­sen als Produktionslose

Eine der grund­le­gen­den, noch aus der Indus­tria­li­sie­rung stam­men­den Eigen­schaf­ten unse­res Schul­sys­tems ist die sta­pel­wei­se „Ver­ar­bei­tung“ unse­rer Kinder.

(Ihr wer­det sehen, dass der Ver­gleich mit der indus­tri­el­len Pro­duk­ti­on passt, auch wenn die­ser immer absur­der wird, je kon­se­quen­ter man die­sen beibehält.)

  • Das „Bil­dungs-Pro­dukt“ ist ein Mensch, wel­ches in unse­re Gesell­schaft als wert­schöp­fen­des Ele­ment ein­ge­fügt wer­den kann.
  • Die Pro­duk­ti­on erfolgt auf einer 9- bis 13-schrit­ti­gen Pro­duk­ti­ons­li­nie namens „Schu­le“.
  • Die Pro­duk­ti­on erfolgt meist in Losen von ~ 20 – 30 Ein­hei­ten. Ein Pro­duk­ti­ons­los nennt man „Schul­klas­se“.

Aus­ge­bil­de­te Kin­der als Ersatz­tei­le für unse­re Gesellschaft

Das Bil­dungs-Pro­dukt scheint mir aktu­ell und öffent­lich unzu­rei­chend defi­niert. Wel­chen Wert soll das Kind (als Pro­dukt) für wen schaf­fen? Wer ist der Kunde?

Wenn ich dar­über nach­den­ke, für wen das Pro­dukt einen Wert schafft, dann muss der Kun­de die Gesell­schaft sein. Die Gesell­schaft beauf­tragt also den Staat (in Deutsch­land sind es die Län­der) damit, ein „pas­sen­des“ (Ersatz-)Teil für sich selbst zu schaf­fen. Der Ver­schleiß des Sys­tems (z.B. Tod, Ren­te, Aus­wan­de­rung) führt zum Bedarf von Ersatz­tei­len. So wird die Leis­tungs­fä­hig­keit des Sys­tems beibehalten.

Das ist jetzt ein wenig dark, aber es erin­nert mich irgend­wie an den Film „Die Matrix“, wo Neo erwacht und rea­li­siert. (Im wahrs­ten Sin­ne des Wortes)

Schul­klas­sen – Voll­stän­dig unper­fek­te Produktionslose

Ein Exkurs

In einem indus­tri­el­len Pro­duk­ti­ons­pro­zess geht man davon aus, dass das Roh­ma­te­ri­al stets gleich­ar­tig und frei von Ver­un­rei­ni­gun­gen ist. Die gleich­mä­ßi­ge Qua­li­tät des Pro­duk­tes ist sonst nicht zu gewährleisten.

Dies funk­tio­niert bei Pro­duk­ten, bei denen es zur Qua­li­täts­si­che­rung objek­ti­ve Maß­stä­be bei der sen­so­ri­schen Qua­li­täts­si­che­rung gibt. Die­se Art von Qua­li­täts­si­che­rung ist bei rein funk­tio­na­len Pro­duk­ten anwend­bar. Aller­dings sind die­se Pro­duk­te meist wenig kom­plex und erfül­len für den Kun­den nur ein­fa­che Aufgaben.

Ein­fa­ches Bei­spiel: Ein Gartenrechen

Ein Gar­ten­re­chen

Das Pro­dukt besteht aus Holz und Metall. Bei­de Mate­ria­li­en müs­sen ein bestimm­tes Maß an Fes­tig­keit haben. Für Män­ner (mit meist mehr Kraft) muss das Mate­ri­al ggf. ein wenig sta­bi­ler sein als für eine Frau oder ein Kind. Wobei mehr Sta­bi­li­tät für Kun­den mit weni­ger Kraft kein Hin­der­nis ist. Außer­dem muss die Grö­ße für den Nut­zer pas­sen. Hier brau­chen wir Unter­schie­de: Ein Rechen für Kin­der ist viel klei­ner und hat einen dün­ne­ren Stiel. Dies wie­der­um beein­flusst die Sta­bi­li­tät. Bei einem Kind mit weni­ger Kraft ist das jedoch unproblematisch.

Hier sind die Qua­li­täts­kri­te­ri­en phy­si­ka­lisch mess­bar und kön­nen objek­tiv fest­ge­legt werden.

Bei moder­ne­ren Vari­an­ten die­ses Pro­dukts kom­men Aspek­te hin­zu, die durch eine objek­ti­ve Qua­li­täts­si­che­rung nicht mehr zu erfas­sen sind..

Kom­ple­xe­res Bei­spiel: Das „***“-Sys­tem von *** (Anbie­ter für Gartengeräte-Systeme)

(Ich möch­te weder wer­ben noch anpran­gern, des­halb die *** als Platz­hal­ter für Mar­ken und Firmennamen)

Fak­tisch ist der Sys­tem-Rechen nicht anders als der Holz-Rechen. Er erfüllt den glei­chen Zweck und es gel­ten grund­sätz­lich die glei­chen o.g. Qualitätskriterien.

Beim Betrach­ten der Pro­dukt­pa­let­te und Fle­xi­bi­li­tät des Sys­tems ent­ste­hen Gefüh­le. Die­se sind sehr wahr­schein­lich ande­re als im ers­ten Beispiel.

Beim ein­fa­chen Gar­ten­re­chen schwingt etwas alt­mo­di­sches mit. Dies kann bei man­chen Men­schen, die „Clean Living“ betrei­ben, durch­aus posi­tiv kon­no­tiert sein. Hand­ar­beit, kein Plas­tik, usw. …

Beim „moder­nen“ Gartenrechen(-System) hin­ge­gen über­wiegt eher ein Gefühl von prak­tisch, viel­sei­tig, weni­ger lang­wei­lig. Es ist far­big, es braucht (viel­leicht) weni­ger Platz im Schup­pen und es hat Plas­tik-Tei­le. Das (Produkt-)System erfüllt das Ziel mit einer höhe­ren Pro­dukt-Effi­zi­enz. Wenn auch bei sehr wahr­schein­lich höhe­ren Kos­ten, sowohl öko­no­misch (Her­stel­lung und Ver­kauf) als auch für unse­re Umwelt. Das Pro­dukt ist irgend­wie „moder­ner“.

Emo­tio­na­le Nutzungsfaktoren

Die­se emo­tio­na­len Nut­zungs­fak­to­ren las­sen sich nicht mehr einer her­kömm­lich Qua­lit­äs­si­che­rung unter­zie­hen. Ob der ein oder ande­re ein Pro­dukt als gut oder schlecht bewer­tet, hängt stark von den Gefüh­len ab, die der­je­ni­ge einem Pro­dukt entgegenbringt.

Hier ist nun das Mar­ke­ting gefragt. Trig­ger und Asso­zia­tio­nen müs­sen die poten­ti­el­len Kun­den zu den „rich­ti­gen“ Gefüh­len hin­ma­ni­pu­lie­ren. Dann steht dem Ver­kauf des Pro­dukts nichts mehr im Wege.

Ein geschick­tes Pro­dukt-Mar­ke­ting ver­än­dert die Kri­te­ri­en. Hier­zu wer­den die Bewer­tungs-Ska­len beim Kun­den ver­än­dert. Sub­jek­ti­ve Kri­te­ri­en über­la­gern objek­ti­ve. Die Emo­tio­nen, die dann der sub­jek­ti­ven Bewer­tung zugrun­de lie­gen, wer­den mani­pu­liert. So funk­tio­niert Kun­den­bin­dung (aus Sicht der Hersteller).

„Hach jetzt habe ich mir den (teu­ren) Rechen von XY gekauft, dann kann ich ja jetzt noch eine Ast­sä­ge kau­fen (die ich nur 1x im Jahr brau­che … und eigent­lich nervt mich der Baum sowie­so)“

–nach einer wah­ren Begebenheit

Ein inter­es­san­ter Aspekt ist, dass sol­che Sys­te­me einen Lock-In-Effekt erzeugen.

Exkurs Ende —

(hmmm, mal schau­en, wie ich hier die Kur­ve krieg‘ …)

Zusam­men­fas­sung

  • Um ein­fa­che Pro­duk­te zu erzeu­gen, brau­che ich nur objek­ti­ve (mess­ba­re) Qua­li­täts­kri­te­ri­en und gutes Ausgangsmaterial.
  • Sobald die Pro­duk­te kom­ple­xer wer­den, brau­che ich zur Bewer­tung neben den objek­ti­ven Qua­li­täts­kri­te­ri­en wei­te­re Fak­to­ren (z.B. Emo­tio­nen). Die­se müs­sen bei der Pro­dukt­ent­wick­lung und im Mar­ke­ting berück­sich­tigt werden.

Kom­ple­xe Pro­duk­te las­sen sich nicht über ein­fa­che Qua­li­täts­kri­te­ri­en bewer­ten oder anders aus­ge­drückt: Die Qua­li­tät, der durch unse­re Kin­der emp­fan­ge­nen Schul­bil­dung lässt sich nicht mit Noten messen.

(ok, ich glau­be das hat geklappt)

Kin­der sind kein Roh­ma­te­ri­al, nicht gleich­ar­tig, nie­mals frei von „Ver­un­rei­ni­gun­gen“ und schon gar nicht einfach

(Ich spre­che da als Vater drei­er völ­lig ver­schie­de­ner Töch­ter aus Erfahrung!)

Die Ansprü­che an das Bil­dungs-Pro­dukt sind heu­te ande­re als vor 150 Jah­ren. Vor allem die Kom­ple­xi­tät des Sys­tems (Gesell­schaft), für das die „Ersatz­tei­le“ geschaf­fen wer­den, ist heu­te eine ande­re als frü­her. Aller­dings sind die Pro­duk­ti­ons-Mecha­nis­men noch nahe­zu identisch.

Wie oben aus­ge­führt, sind vor allem die Ansprü­che an das Roh­ma­te­ri­al und an das fer­ti­ge Pro­dukt gestie­gen. Kei­ner käme auf die Idee, ein moder­nes Auto mit den Pro­duk­ti­ons­mit­teln und Mate­ria­li­en von frü­her zu bauen.

Neben den Ansprü­chen an das Roh­ma­te­ri­al, hat sich aber auch das Mate­ri­al sel­ber ver­än­dert, denn die vor­ge­la­ger­te „Zulie­fer­indus­trie“ namens „Fami­lie & Erzie­hung“ funk­tio­niert heu­te anders. Der regel­mä­ßi­ge auf­tre­ten­de Gene­ra­tio­nen­kon­flikt (seit Ein­füh­rung des Schul­sys­tems, gab es davon 7–8) ist zugleich Aus­lö­ser & Beleg für die Veränderung.

Viel mehr zeigt das viel­leicht sogar der Ver­such, die letz­ten Gene­ra­tio­nen in X, Y oder Z zu kate­go­ri­sie­ren und dadurch die Eigen­schaf­ten der Kin­der zu gene­ra­li­sie­ren und in die­se Schub­la­den zu stecken.

Aus einer indus­tri­el­len Sicht ist jedoch jede Art von Indi­vi­dua­li­tät eine „Ver­un­rei­ni­gung“, die in stan­dar­di­sier­ten Pro­zes­sen Schwie­rig­kei­ten bereitet.

Lösungs­an­sät­ze

„Los­grö­ße 1“ statt Schul­klas­sen mit 20 – 30 Kindern

Wie geht die Wirt­schaft und Indus­trie mit der aktu­el­len Situa­ti­on um?

Ein Ansatz ist die Los­grö­ße 1, bei der mit Hil­fe von 3D-Druck, intel­li­gent ver­netz­ten Pro­dukt­kon­fi­gu­ra­tio­nen und IT-Tech­no­lo­gien neue Her­an­ge­hens­wei­sen an die Pro­duk­ti­on geschaf­fen werden.

Eine Über­tra­gung des The­mas “Los­grö­ße 1” auf unse­re Bil­dungs­sys­te­me muss schnellst­mög­lich dis­ku­tiert werden.

„Los­grö­ße 1“ auf unser der­zei­ti­ges Schul­sys­tem anzu­wen­den, ist aktu­ell undenk­bar. Ein Zwi­schen­schritt wäre, Erkennt­nis­se zu Team­grö­ßen auf die Grö­ße von Schul­klas­sen anzu­wen­den. So lie­ße sich eine gute Balan­ce zwi­schen Team­fä­hig­keit und Indi­vi­dua­lis­mus erreichen.

Neu-Defi­ni­ti­on der Wertschöpfung

Zunächst soll­ten wir defi­nie­ren, durch und für wen hier ein Wert geschaf­fen wer­den soll.

Mei­ner Mei­nung nach soll­te auch hier #der­Men­schIm­Mit­tel­punkt gel­ten. Denn auch wenn uns als Kin­der immer gesagt wur­de: „Ihr lernt nicht für die Schu­le (das Sys­tem selbst), son­dern für’s Leben!“, kam, zumin­dest bei mir, nie so wirk­lich her­aus, dass es beim Leben um UNSER Leben als MENSCH geht und nicht um unse­re Pro­duk­ti­vi­tät für die Gesellschaft.

Lebens­lan­ges Lernen

Auch ein Aspekt, der in der Schu­le zu wenig oder gar nicht ver­mit­telt wird: Das Ler­nen hört mit der Schu­le nicht auf!

Durch die Pro­duk­ti­ons­zy­klen von einem Jahr (Schul­jahr) und die Qua­li­ty­ga­tes (Prü­fun­gen), die dann auch noch „Abschluss“ hei­ßen, wird sug­ger­tiert, dass man irgend­wann fer­tig ist mit dem Ler­nen. Teil der inhalt­li­chen Anfor­de­run­gen an ein bes­se­res Schul­sys­tem soll­te sein, dass völ­lig klar gemacht wird, dass die Schu­le nur der ers­te Schritt auf einer lan­gen Rei­se ist.

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